Montag, 5. Oktober 2020

Eine Stimme aus Fleury in Saint-Benoit-sur-Loire II


Salvete erneut aus Fleury in Saint-Benoit-sur-Loire,

- “Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht.“ (Joh 12,24)

Wir wollen also, nach nunmehr bereits vier Wochen, gemäß dem bekannten Dreischritt fortfahren:

Topologisches:
Fleury ist noch immer Fleury, auch nach diesem ersten Monat, den ich nunmehr schon vor Ort zugebracht habe. Die Tage werden kühler et le temps passe vite, es lässt sich dies nicht verleugnen, gerade da, wo, in Bezug auf Letzteres, die Tage an empirischer, aber auch intelligibler Verdichtung nicht geizen. Diese Verdichtung, die zugleich eine Öffnung ist, eignet aber auch dem hiesigen genius loci, der hier spürbar waltet und wohl nicht zufällig auch den Dichtermaler Max Jacob in den 20er und 30er Jahren des vergangenen Säkulums als Oblate nach Fleury zog. 

Über das klangmalerische, aber durchaus windreiche Fleury hinaus habe ich mich im Rahmen meiner topologischen Erkundigungen mittlerweile auch nach Auxerre (der Hauptstadt der Bourgogne) sowie nach Orléans (der Stadt Jeanne d'Arcs, wenn man so will) begeben. Beide Städte warten mit einer splendiden, jeweils gotischen Kathedrale auf, verfügen über eine sehenswerte Altstadt (insbesondere Auxerre mit vielen verwinkelten Gässchen) und liegen an einem Fluss, Orléans an der Loire, Auxerre wiederum an der Yonne.

Ora et labora:
Zur Komplementierung der zuletzt bereits erwähnten Hauptgebetszeiten des Offiziums, d.h. der Laudes, Vesper und Vigil, werden hier auch die kleinen Horen der Terz und Non gemeinsam (und öffentlich) gebetet. Die Komplet wiederum feiert die Gemeinschaft im geschlossenen Kreis nach der Abendspeise.

Am ersten Freitag des Monats pflegt die Gemeinschaft jeweils einen sogenannten “Jour de désert“, also einen Wüstentag der Einsamkeit und Stille, der so in primis dem Gebet, der Kontemplation und der Selbstprüfung dient. Dieser Tag hat sich mir als äusserst kostbar erwiesen und ich gedenke es, solche, modal vergleichbaren Tage auch über den ersten Freitag des Novembrius hinaus, der mich zurzeit noch erwartet, in meine regulären Tage einzuflechten.

Was meine nachmittäglichen Arbeiten im Kloster tangiert, habe ich mich wieder beflissen der Apfel-, Birnen-, und Nussernte gewidmet. Diese Tätigkeiten versetzen einen durchaus in einen Urbezug des menschlichen Erntens und Empfangens und erfüllen so das gaiatische und gottergebene Herz nicht unbeträchtlich. Zudem muss erwähnt sein, dass die hier zu pflückenden Birnen, mit ihrer beinah exzessiven Geschmacksnote, die eindeutig besten Birnen sind, die ich bis anhin gespeist habe. An diese fruktalen Ereignissen reihten sich die Pflege der Blumen hier (vor allem der Rosen) sowie der Umgebung insgesamt. Auch wurde ich in meiner vierten Woche der allgemeinen Abwaschmannschaft zugeteilt, die nach der Mittags- und Abendspeise im Eilgang das Geschirr und Besteck wieder rein wäscht. 

Am Logos wiederum habe ich, wie bereits angetönt, sowohl lesend als auch schaffend gewirkt. Nebst den schon erwähnten Kirchenvätern (Origenes ist und bleibt ein Genius) habe ich mich so bisher auch mit der christlichen Meditation bei Von Balthasar, dem Gebet nach Evagrios Pontikos bei Gabriel Bunge, der europäischen Mystik bei Wehr, der benediktinischen Lebensweise bei Rumiz sowie mit der Theologie von Johannes vom Kreuz beschäftigt. Ausserdem habe ich erneut Thérèse de Lisieuxs “Historie d'une âme" gelesen sowie erstmals Emmanuel Carrères “Le royaume“, das sich hauptsächlich mit Paulus und dem Apostel Lukas auseinandersetzt. Ferner war es mir beschieden, zwei meiner kleineren Schriften abzuschliessen, die eine über das hyperbolische Selbst bei Kierkegaard und Nietzsche, die andere über einen kritischen Vergleich des Christentums mit der Digitalisierung, und auch noch einige Poeme zu Papier zu bringen. Schliesslich habe ich auch dem wöchentlich für die Novizen stattfindenden Kursus "L'historie de la spiritualité monastique“ beigewohnt, der sich bisher höchst adäquat in mein Studium der Väter einfügt.

Bildgeschehnisse: 
Abschliessend folgen wieder einige visuelle Impressionen dieser letzthinnigen Tage:














“Ce que Dieu prétend, c’est de faire de nous des dieux, par participation de ce qu'il est lui-même par nature; de même que le feu convertit toute chose en feu.” (Juan de la Cruz)

In Christo, cordialiter et valete,
J
 

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